The Power of Touch.
Shiatsu ist eine eigenständige Form der Massage und Körperarbeit, die auf traditionell fernöstlichem Gesundheitswissen basiert. Wörtlich übersetzt bedeutet shi – atsu Fingerdruck. So arbeiten Shiatsu-Praktikerinnen und -Praktiker mit sanftem oder tieferem Druck entlang von Meridianen, den Energieleitbahnen in unserem Körper. Über diese Berührungen und weitere Techniken wird versucht den Energiefluss im Körper zu harmonisieren.
Berührung ist lebensnotwendig, ein tief-menschliches Bedürfnis. Wir nehmen die Welt, unsere Mitmenschen über Berührungen wahr. Besonders bewusst wird das, wenn wir Kinder bei der Erkundung ihrer Umwelt beobachten. Alles wird bestaunt, berührt, betrachtet. Aber auch genauso ist Berührung für Erwachsene ein grundlegendes Bedürfnis. Hand aufs Herz – wer hat, prä-Corona natürlich, im Geschäft nicht auch einmal mit der Hand nachgeprüft, ob der optisch schöne Apfel auch wirklich reif und fest ist. Liebe Menschen begrüßen wir mit einer Umarmung. Berühren wir unser Gegenüber, empfinden wir ein aktives Erleben, wir nehmen von diesem Menschen mehr wahr als rein über unser Auge.
Berührung geht weit über Sexualität hinaus: Jemandem ermutigend auf die Schulter klopfen, ein Kind liebevoll an der Hand nehmen, eine Umarmung. Wie wohltuend so eine Umarmung, in die ich sinken kann, wenn ich Trost brauche. Oder hast du diese polarisierenden olympischen Winterspiele beobachtet? Als der Sieg der österreichischen Gold-Medaillen-Snowboarderin Anna Gasser feststand, fielen ihr die restlichen Teilnehmerinnen in einem Freudentaumel um den Hals. Ein schönes Symbol für den einenden olympischen Gedanken.
Berührung & Berührungsqualität
Shiatsu wird auch gerne als die Kunst der Berührung bezeichnet. In einer Shiatsu-Einheit entsteht eine Form von therapeutischem Raum – in der Berührung als Methode eingesetzt wird. Im Shiatsu findet ein Austausch statt. Zuerst in einem Gespräch und danach in der Einheit über die Berührung. Über diese Berührung finde ich Zugang zu diesem wertvollen Menschen auf meiner Matte. Zugang in erster Linie zu dem Körper über Verspannungen, sensible Bereich, Blockaden und dadurch auch zu den individuellen Bedürfnissen.
Wieso fühlt sich Shiatsu so besonders an? Je nach Bedürfnis der Person, bleiben die Berührungen sehr sanft oder werden stärker, gehen dabei immer in die Tiefe. Rein auf körperlicher Ebene findet der Körper durch diese Berührungsqualität in die Entspannung, in der auch ein Loslassen möglich ist. Auf seelisch-geistiger Ebene ist dieses Loslassen, ein Einlassen, ein Annehmen der Empfindung und der Emotionen, die über die verschiedenen Arten der Berührungen ausgelöst werden. Durch das Bewusstwerden von Anspannung und entsprechender Lösung in diesen Bereichen wird eine tiefgehende Entspannung erreicht. Leichtigkeit. Regeneration.
Berührung & unser Immunsystem
Gleichzeitig stärkt Shiatsu auch dein Immunsystem. Es gibt unzählige Studien über den positiven Einfluss von Berührungen auf unser Immunsystem. Das Immunsystem wird über Berührungen der Haut angeregt, T-Zellen zu bilden. Das T in T-Zelle steht dafür, dass diese Zellen in unserer Thymusdrüse gebildet werden. Die Zellen spielen eine wichtige Rolle für unser Immunsystem. In der Thymusdrüse erhalten die Zellen sogenannte Immunkompetenz: Sie lernen auf Viren und andere „Eindringlinge“ zu reagieren und diese bei Bedarf zu zerstören. Hurra! Die Immunreaktion ist geboren.
Berührung in der Pandemie
Auch unsere Psyche spielt in Gesundheit oder Krankheit eine wichtige Rolle. Mir ist besonders in unserer anhaltenden Pandemie-Situation, bewusst geworden wie wichtig Berührungen sind. Wir sind beinahe ausgehungert danach. Unsere westliche Gesellschaft war schon bisher nicht unbedingt berührungs-betont. Die Pandemie hat diese Entwicklungen noch verstärkt. Aus Umarmungen zur Begrüßung wurde ein Händeschütteln und daraus ein Handknöchel-aneinanderdrücken – gerade eine Minimalform des körperlichen Kontaktes. Inzwischen kommt auch wieder die Frage: Darf ich dich umarmen? So richtig sicher fühlen wir uns dabei alle nicht: Berührungen bringen ein unsicheres Gefühl mit sich. Wir halten Abstand bis hin zur Isolation.
So wirken die Worte des Britisch-Amerikanischen Humanisten Ashley Montagu* aus dem Jahr 1986, jetzt 2022, beinahe prophetisch – hier für dich ins Deutsch übersetzt:
Die Unpersönlichkeit des Lebens in der westlichen Welt hat sich so entwickelt, dass wir beinahe eine Gruppe von Unberührbaren hervorgebracht haben. Wir sind einander fremd geworden, vermeiden nicht nur, sondern wehren sogar jede Form von „unnötigem“ Körperkontakt ab, […] einsam, mit großer Angst vor Intimität. Aufgrund unserer Unberührbarkeit haben wir es versäumt, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen einander mit mehr als nur im körperlichen Sinn berühren.
Ashley Montagu, Touching – The Human Significance of the Skin
Wir Menschen sind komplexe Wesen – wir können allein mit Wasser und Nahrung nicht überleben. Wir brauchen Berührungen, um zu wachsen und gedeihen. Es gibt Erkenntnisse, traurige Erkenntnisse, die gerade die Wichtigkeit menschlicher Zuwendung bezeugen, in denen sich Kinder, unter fehlendem menschlichen Kontakt ohne Zuwendung zurückentwickelten und sogar verstarben.** Das gleiche gilt auch für Studien mit Äffchen.
Wir können gemeinsam zu unserer inneren Kraft und Stärke finden, wenn wir zulassen, dass wir uns auf allen Ebenen begegnen. Wir finden zu einem besseren Verständnis für uns selbst und unsere Mitmenschen, wenn wir achtsam miteinander kommunizieren und erkennen, dass diese Kommunikation weit über unsere Sprache und unsere Worte hinausgeht. Und genauso gilt das für alles, das uns umgibt. Je stärker wir (wieder) in unsere Umwelt eingebunden sind. Je mehr wir miteinander, mit der Natur als Ganzes verbunden sind, desto leichter wird es uns fallen, unsere Erde auch nachhaltig zu schützen. Denk doch an die Sonnenstrahlen auf unserer Haut. Wie eine Berührung. Wie wohltuend ist die Wärme, für unsere Haut und für unsere Seele, ganz besonders jetzt, nach der Kälte des Winters.
Körper, Geist und Seele in Einklang: Shiatsu kann dich unterstützen, in Balance zu kommen und zu bleiben.
* Touching – The Human Significance of the Skin, Ashley Montagu, 1986, Harper & Row Publishers Inc.
** Wer mehr darüber und den Einfluss von Beziehungen auf uns Menschen lesen möchte, hier ein interessanter Artikel